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Von Antje Mayer.

KünstlerInnen aus Sarajewo.

Ausgewählt in Zusammenarbeit mit Daniel Baumann

Braco Dimitrijevic

Der mehrfache Documenta- und Biennale-Teilnehmer ist der international renommierteste aus Sarajewo stammende Künstler. Aufgewachsen als malendes Wunderkind und Skirennläufer, verlegte er sich in den 70er Jahren auf die Konzeptkunst und begann die konventionellen Vorstellungen von Ruhm, Geschichte und Bedeutung zu dekonstruieren. Wie ein roter Faden zieht sich der (Anti-)Denkmalsgedanke durch sein Werk. 1971 schuf er sein erstes „tragbares Denkmal“, eine Steinplatte mit der Inschrift „This Could Be a Place of Historical Importance“. Einer ähnlich ironischen Hinterfragung der willkürlichen Konstruktion der Autorität von Bildern und Orten dienten riesige Straßenplakate, auf denen er anonyme Passanten verewigte. Für den 2005 veranstalteten Wettbewerb „de/construction of a monument“ des Sarajevo Center of Contemporary Art reichte er den Entwurf für ein Denkmal ein, das unter sich selbst begraben liegt. An den vier senkrechten Flächen eines drei Meter hohen Granitblocks sollte in vier Sprachen die Inschrift eingraviert werden: „Unter diesem Stein befindet sich das Denkmal für die Opfer des Krieges und Kalten Krieges.“

Braco Dimitrijevic wurde 1948 in Sarajewo geboren und lebt in Paris und New York.


Jusuf Hadzifejzovic


Nach seinem Studium in Belgrad und Düsseldorf tat sich Hadzifejzovic in den 80er Jahren als provokanter Performancekünstler hervor. Mit Aktionen wie z. B. „Künstler bereitet sich auf die Vernissage vor“ oder „Schlafen zur Ausstellungseröffnung“ kritisierte er das mangelnde Publikumsinteresse an aktueller Kunst. Frustriert von der staatlichen Kunstverwaltung, die seine und die Arbeiten seiner Kollegen in Museumsdepots verschwinden ließ, erfand er 1984 seine von ihm bis heute weiterentwickelte Methode der „Depotgrafie“. In den Lagerräumen von Museen und Galerien, bei Trödlern, auf Müllhaufen und in den Straßen findet Hadzifejzovic seine Dinge, die er arrangiert, ausstellt, durch dadaistisch anmutende Zusammenstellungen mit neuen, z. T. drastischen Bedeutungen versieht (z. B. „Vogelscheuchen-Depotgrafie: rückwärts gebogen“: ein über einen Tisch gezogenes Kleid, was wie ein auf die Folter gespannter Mensch aussieht). Depots wie Stadträume sind Hadzifejzovic in gleichem Maße große Archive, vergessene Container eines kulturellen Gedächtnisses, das er wie ein archäologisch geschulter Psychonalytiker ins Tagesbewusstsein hebt.

Jusuf Hadzifejzovic
wurde 1956 in Prijepolje geboren und lebt in Sarajewo und Antwerpen.



Maja Bajevic


Bekannt wurde Maja Bajevic, die 1997 aus ihrem Pariser Exil nach Sarajewo zurückkehrte, mit ihrer Performance-Serie „Woman at Work“. Zusammen mit fünf Flüchtlingsfrauen aus Srebrenica, deren Männer ermordet worden waren, stickte sie folkloristische Motive auf das Baunetz der zerstörten Nationalgalerie, posierte als Beobachtergruppe in Form eines holländischen Gruppenporträts des 17. Jahrhunderts (eine Anspielung auf das holländische UN-Bataillon, das dem Massaker von Srebrenica tatenlos zusah) oder spülte das in Tüchern gestickte Tito-Zitat „Lang lebe die Einheit und Waffenbruderschaft unserer Völker“ so lange in Schmutzwasser, bis es sich auflöste. Die traditionell weiblichen Tätigkeiten und kunsthandwerklichen Techniken wurden so aus ihrem häuslichen Umfeld in den öffentlichen Raum geholt und in Werkzeuge der Kritik verwandelt. Den Schock über die Zerstörungen der Heimat verarbeitet Bajevic aber auch mit Zynismus und schwarzem Humor: In dem Video „Back in Black“ erzählt ein schwarz Maskierter morbide Witze über Sarajewo, nach deren Pointen jeweils lautes Gelächter vom Band abgespielt wird.

Maja Bajevic wurde 1967 in Sarajewo geboren und lebt in Paris und Sarajewo.


Jasmila Zbanic

Die mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Dokumentarfilme und Videos der jungen Regisseurin werden vor allem auch im Kunstkontext stark rezipiert. Zbanic kommt vom Theater, hat mit Peter Schumanns „Bred and Puppet Theater“ zusammengearbeitet und sich von der Videokunst inspirieren lassen. Ihr Hauptthema ist die Traumatisierung von Frauen während des Krieges. In ihrem ersten Dokumentarfilm, „After After“ (1997), erzählt Zbanic die Geschichte eines siebenjährigen Mädchens, das durch die Kriegsereignisse seine Sprache verloren hat und schrittweise seinen Weg zurück in die Gesellschaft findet. Der Film lebt von der Spannung zwischen dem Blick der Kamera und der langsam zurückkehrenden Stimme des Kindes. „Red Rubber Boots“ (2000) versucht den Auswirkungen des Krieges in einer „normalen“, langsamen Alltagsszenerie nachzugehen, wodurch die Ereignisse dem Betrachter aber umso näher kommen. Die Kamera begleitet eine Frau mit ihren beiden Kindern auf der Suche nach ihrem vermissten Ehemann, der 1992 von der serbischen Armee entführt worden war. Eine Regierungskommission durchkämmt gut versteckte und schwer zugängliche Massengräber. Seine Überreste werden aber nicht gefunden.

Jasmila Zbanic wurde 1974 in Sarajewo geboren, wo sie auch lebt.



Text erschienen in Spike ART QUARTERLY Nr. 3/2004
> Link:Spike Art Quarterly > Link:Grbavica- a film by Jasmila Zbanic- > Link:the artist.org/Braco Dimitrijevic- > Link: scca.ba/ Jusuf Hadzifejzovic- > Link: kunstaspekte.de/Maja Bajevic-